Wilbur und ich
Mathias Kutsch, Kurator der Kunstinstallation ‚Schweine im Saugraben‘, hat mir, der Künstlerin Chris Rupp, die Ehre erwiesen, eines der 20 seriellen Schweinefiguren zu gestalten.
Beim Lesen des Ausschreibungstextes blieb ich an folgendem Satz hängen „Ihr könnt mit den Schweinen alles machen wie z.B.: zerschneiden, Material hinzufügen, bohren und vieles mehr.“ Sofort kamen mir die realen, die lebenden Schweine in den Sinn. So macht der Mensch mit ihnen ja auch alles, was er für sinnig hält. Er tötet sie, er zerschneidet sie, er isst sie, er züchtet ihnen zusätzliche Rippen an und er hat es neuerdings auf ihre Organe und ihr Gewebe zur Transplantation für uns Menschen abgesehen. In der Forschung nennt man diese Übertragung von lebenden Zellen, Geweben und Organen zwischen Individuen verschiedener Spezies „Xenotransplantation“.
Das intelligente und sensible Schwein möchte sich liebend gerne nur im Schlamm suhlen und fröhlich vor sich hin grunzen, doch der Mensch lässt ihm meist keine Wahl. Er hat anders entschieden, ihm ein anderes Schicksal beschieden.
Wilbur, so tauften meine Arbeitskolleginnen und -kollegen das, mir übergebene Kunst-Schwein. Ich fand, dass der Name prima passte und so blieb es dabei. Als symbolischen wie individuellen Stellvertreter für seine Spezies integrierte ich ihn (in Form einer künstlerischen Aktion inklusive Fotodokumentation) in mein Zuhause, mein Landleben. Ich nutzte die „gemeinsame Zeit“, ihm ein „artgerechtes“ Leben zu bieten und die Themen Xenotransplantation und Schweinemast zu erforschen.
Am Ende entschied sich Wilbur für eine Teilnahme an dem geplanten Kunstprojekt in Erlangen, also für ein „Künstler-Leben“ und gegen eine potentielle Organtransplantation und natürlich auch gegen ein Ende als Schäufele. Er will Besucherinnen und Besucher der Kunstinstallation einzuladen, über das Verhältnis zwischen Mensch & Schwein tiefer nachzudenken. Sein vor Ort beigefügter und präsentierter Organspendeausweis, der normalerweise nur für Menschen ausgestellt wird, verdeutlicht im übertragenen Sinn Wilburs individuelle Entscheidung.
Obwohl das Projekt an sich kein grundsätzliches Statement gegen Xenotransplantation darstellt, soll es vor allem dazu anregen, sich Gedanken darüber zu machen, was der Mensch mit einem Tier alles tun darf und was uns aus ethischen Gründen untersagt ist. Es zeigt eine weitere Perspektive auf. Vielleicht stellen wir uns Menschen dann auch die Frage: Wie würde ich entscheiden, wenn ich ein Schwein wäre?
Chris Rupp